Eine Vision ist wie ein Puzzle. Wer mitmacht, möchte das gesamte Bild sehen und das Gefühl haben, mit seinem/ihrem Puzzleteil einen wichtigen Beitrag zu leisten. Einen Unterschied gibt es allerdings: Eine gute Vision trägt weiter als das fertige Bild eines Puzzles.
Das Jahr 2020 war geprägt von der Corona-Krise und massiven Veränderungen in der Wirtschaftswelt wie im Privaten. Viele Menschen sind verunsichert, haben Angst und suchen nach Halt. Im Privaten sind es Freunde, Familie und für viele auch der Glaube an Gott, der Menschen in schwierigen Zeiten Halt und Hoffnung schenkt. Im Beruf sind es Führungskräfte, Kolleg*innen und eine Vision, die Halt geben und motivieren.
[.rt-prehead]INHALTSVERZEICHNIS[.rt-prehead]
[.black-link]1. Was macht eine gute Vision aus?[.black-link]
[.black-link]2. Wie ich meine Vision gefunden habe[.black-link]
[.black-link]3. Wie kann man eine Vision finden und stärken?[.black-link]
[.black-link]4. Wem würde eine Vision guttun?[.black-link]
[.black-link]5. Fazit: eine Vision für mehr Motivation und Resilienz in Unternehmen[.black-link]
Betrachten wir einige Beispiele für Visionen, um die Theorie zu veranschaulichen und um zu verstehen, was gute Visionen ausmacht.
1 = TED, 2 = Amazon, 3 = Google , 4 = Audi, 5 = ALDI USA
Wie findest du diese Beispiele? Die Beurteilung eines Vision-Statements ist eine persönliche Sache. Doch ein paar universelle Learnings können wir daraus ziehen:
Einige Unternehmen stellen mittlerweile lieber ihren Purpose in den Vordergrund und nicht die Vision. Der Unterschied liegt darin, dass die Vision sich stärker auf die Identität einer Organisation (Wer, wie, was wollen wir z.B. in 5 Jahren sein?) und der Purpose auf die beabsichtigte Wirkung (wie z.B. den Beitrag zur Weltverbesserung) bezieht.
Meine Vision als Jugendforscher, Speaker und Trainer ist:
„Junge Menschen beteiligen und Zukunft gestalten“
Im Jahr 2010, als ich mit einer Fahrradtour durch Deutschland für die Studie “Junge Deutsche” den Grundstein für meine Selbständigkeit legte, war mir total klar, warum ich mich auf den Weg mache. Ich wollte mit jungen Menschen die wirklich wichtigen Fragen stellen und beantworten, damit Politik und Arbeitgeber die Lebens- und Arbeitswelten junger Menschen verbessern können. In den folgenden Jahren war ich extrem breit aufgestellt, um möglichst viele Aufträge zu bekommen und hatte das Gefühl, mir keinen Fokus leisten bzw. mich auf eine Vision festlegen zu können. Als mit der Familiengründung klar wurde, dass ich meine Energie bündeln und mich inhaltlich fokussieren muss, habe ich mich auf die Suche nach meiner Vision gemacht. Nach verschiedenen missglückten Visions-Formulierungen, die aktuelle Tätigkeiten oder Schwerpunkte abbildeten, habe ich überrascht festgestellt, dass in all meinem Tun meine Urmotivation von 2010 steckt und mich antreibt.
Um aus meiner Vision “Junge Menschen beteiligen und Zukunft gestalten” einen Purpose zu formulieren, müsste ich die Fragen beantworten: Warum und wozu ich junge Menschen beteilige und welche Zukunft ich gestalten möchte. Zutreffende Antworten sind: Um den sozialen Zusammenhalt zu fördern, um das Generationenmiteinander zu verbessern, oder um Menschen zur Gestaltung der Welt von morgen zu befähigen. Daraus ist allerdings noch kein schickes Purpose-Statement entstanden 🙂
Es gibt viele Wege zu einer Vision. Je größer und etablierter eine Organisation ist, desto mehr Menschen solltest du in den Prozess einbeziehen. Doch der erste Schritt sollte immer in die Vergangenheit sein und betrachten, warum eine Organisation im Ursprung gegründet oder in entscheidenden Phasen verändert wurde.
Ich habe seit einigen Jahren das Vergnügen, mit der katholischen Kirche konstruktiv-kritisch zusammenzuarbeiten. Unsere Aufgabenstellung ist, wie die Kirche attraktiver für junge Menschen sein kann. Die Bibel ist voll von Visionen und dem Handeln, das diese Visionen in der Bibelgeschichte ausgelöst haben. Doch was Visionen für die Zukunft im 21. Jahrhundert angeht, scheint die Kirche nicht so visionär zu sein. Das Erzbistum Köln hat als Vision 2030 “Klimapositives und schöpfungsfreundliches Erzbistum Köln” entwickelt. Ich würde den Kölner Gläubigen gerne raten, dass sie sich mehr auf die Urmotivation von Jesus zur Gründung einer Kirche konzentrieren und die Fragen beantworten:
Was treibt mich an, wenn ich als Priester, Seelsorger oder Reinigungskraft für die katholische Kirche arbeite? Mit welchem Ziel bin ich Mitglied der katholischen Kirche und Glaubensgemeinschaft?
Als Speaker und Trainer darf ich mit vielen Branchen zusammenarbeiten und schaue mir oft die Ziele und Visionen z.B. von Lebensmittelhändlern oder IT-Dienstleistern an. Ein Statement kommt mir dabei besonders häufig über den Weg: Wir lieben Kunst, Daten, Lebensmittel, etc. Das ist ja schön, wenn die so sehr lieben, womit sie sich beschäftigen, aber ich frage mich, was für eine Vision dahinter steckt. Während Edeka in Deutschland mit “Wir lieben Lebensmittel” wirbt, macht Aldi USA vor, wie es auch gehen kann: A faster, easier and smarter way to save money on high-quality groceries and more.
Die Veranstaltungsbranche ist durch die Lockdown-Regelungen von massiven Veränderungen betroffen. Dennoch haben viele deutsche Messen und Eventveranstalter keine Vision. Was die Deutsche Messe, Hannover (Cebit, Hannover Messe etc.) als Alternative zu einer Vision kommuniziert, ist eine Beschreibung ihrer Tätigkeit: Seit 1947 bringen wir Aussteller durch unsere Veranstaltungen und Services mit den richtigen Besuchern zusammen. Diese Formulierung taugt nicht für eine Vision für die Zukunft, da sie unemotional eine konkrete Tätigkeit beschreibt. Was hier fehlt, ist eine zukunftsorientierte Vision und ein Hauch von Magie, die zwischen Menschen nur im persönlichen Austausch und Miteinander einer Messe, oder eines Events stattfinden kann, ergänzt um die digitalen Möglichkeiten hybrider Veranstaltungen.
Die Liste ist übrigens noch länger! Auch Städten und Gemeinden, Behörden, Schulen und so weiter würden Visionen guttun.
Als Führungskräftetrainer erlebe ich viele sehr unterschiedliche Führungskulturen. Die am besten motivierten Führungskräfte und Mitarbeitenden treffe ich in Organisationen, die genau wissen, warum und wofür sie etwas tun. Kurzum, eine klare Vision idealerweise gepaart mit einem sinnstiftenden Purpose ist eine wertvolle Investition, um gute Mitarbeitende auch in Krisenzeiten zu finden, motivieren und binden. Und es stärkt die Resilienz einer Organisation, da eine gute Vision sich als Leitmotiv für Veränderung eignet und Mitarbeitenden Halt gibt. Meine beeindruckendste Erfahrung bisher, wie stark eine Vision motivieren kann, hatte ich übrigens mit Mitarbeitenden der Firma Salesforce.